Die Fernsehbilder von der friedlichen Wiedervereinigung der zwei deutschen Staaten im Jahre 1989 haben ganz Europa damals elektrisiert, selbst ihn, Lichtenberg, diesen pessimistisch-unverbesserlichen, selbstredenden Weltverbesserer, der sogar phasenweise noch an das Gute im Menschen glaubte, lächerlich, und das dann auch noch in Berlin wohnend, dieser provinziellsten aller Hauptstädte überhaupt mit dieser damals total verrotteten Ostberlinerweiterung, deren verrosteter Charme inzwischen so was von verloren gegangen war: grauenhaft! Jetzt lag eine Art investitionsfreudiger Hochglanzrost über der gesamten Stadt. 1989 war also dieser numinose Beginn einer neuen Weltordnung – ohne Ost-West-Blöcke, ohne Kalten Krieg –, die aber eher den Anschein einer feindlichen Firmenübernahme hatte, bei der der Westen den Ost-Rest regelrecht aufkaufte, einfach übernahm und ihm seine Spielregeln überstülpte, wozu sich speziell die alte Bundesrepublik nicht zu schade war, ja, sich nicht entblödete, für diese Form der friedlichen Übernahme mal schnell das Grundgesetz zu ändern, fand Lichtenberg, den das damals schon nichts Gutes glauben ließ, wie sich ein gutes Jahrzehnt später herausstellen sollte, als dieser dicke Pfälzer Kohl entscheidend dazu beigetragen hatte und dafür sogar ein Staatsbegräbnis im Speyerer Dom bekam, dieser außenpolitisch vollkommen handlungsunfähigen Europäischen Union auch noch eine kleinkariert wüstenrotdeutsche Einheitswährung zu verordnen, worüber sich bis heute der lebensverneinende Norden und der lebensfreudige Süden lebhaft stritten und worunter beide litten. Ausgestattet mit weitreichenden Kompetenzen, erreichte diese immer gewichtigere Europäische Union den einzelnen Menschen in den einzelnen Ländern zunehmend gar nicht mehr. Sie war einfach zu weit weg und das nannte sich dann demokratische Etablierung einer gesamteuropäischen Gesellschaft. Ja, das waren wirklich unglaublich großartige politische Erfolge auf dem Weg zu einer planetaren Gesellschaft, ohne Frage, vor allem ohne die Menschen dazu zu befragen, wobei es ja eigentlich, gerade heute, ganz ratsam wäre, wenn die terrestrische Globalisierung irgendwann einmal nicht nur mental in den Köpfen der Menschen beziehungsweise in ihren Computernetzwerken stattfände oder als sauber abstrahierte Wertbewegung in ihren ökonomischen Kalkülen, sondern real, als Veränderung in der Physis des Planeten.  ...